Im Juli 2011 verdecken im Rahmen der Kunstaktion „Paint The Town Red“ von Otto Mittmannsgruber dicke, knallrote Pinselstriche die Werbeinhalte auf 500 Plakatstellen der Gewista. Vier namhafte Unternehmen (UniCredit Bank Austria, Wiener Städtische Versicherung, Konica Minolta Business Solutions Austria und Taxi 31300) stellen ihre aktuellen Werbesujets auf 24-Bogen-Plakaten für diesen spektakulären Eingriff zur Verfügung. An den Seiten der Plakate bleiben Teile der ursprünglichen Werbebotschaften erhalten, der Hauptteil „erblindet“ durch die rote Farbe. Die so manipulierten und ins übertrieben Auffällige mutierten Plakate erfüllen zwar ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr, werden aber durch die künstlerische Verfremdung zu Trägern einer neuen Botschaft.
Nach zwei Wochen: Latzhosen in ganz Wien
„Nach zwei Wochen sorgt eine zweite Plakatierungswelle für neuerliche Aufmerksamkeit. Eine Figur in Latzhosen erscheint auf den roten Flächen – mit einem Schwamm einen kleinen Teil der übermalten Bildfläche freilegend“, nimmt der Künstler den zweiten Teil seiner Intervention bereits vorweg. Der lebensgroße „Plakatputzer“ ist mit der Wiederherstellung der gewohnten Ordnung beschäftigt und bringt durch seine Funktion im Disput um Botschaften im öffentlichen Raum einen ironischen Kommentar in das Kunstprojekt ein.
KR Karl Javurek, CEO Gewista freut sich, dass auch in diesem Jahr eine spannende Kunstaktion auf den Gewista-Plakaten ermöglicht werden kann: „Die jährliche Kunst-Plakat-Aktion führen wir nun bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich durch. Sie zeigt eindrucksvoll wie impactstark Out of Home-Werbung ist. Ich bin mir sicher, dass man in ganz Wien über die Plakate sprechen wird. Und für die Gewista ist es immer ein essenzielles Anliegen, Kunst zu fördern und zu ermöglichen: Innovation, Kreativität und die Umsetzung von neuen, unkonventionellen Ideen sind auch Teil unseres kommerziellen Kerngeschäfts.“
Rückfragehinweis
Gewista – urban media, Angela Regner
E-Mail: regner@gewista.at, Tel: +43 (0)1-79597-622
currycom communications GmbH, Tina Eggl
E-Mail: tina.eggl@currycom.com, Tel: +43 (0)1-59950-0
Eine Kunst-Plakat-Kampagne in zwei Affiche-Wellen von Otto Mittmannsgruber auf den Plakatflächen der Gewista.
Im Juli 2011 beherrschen für die Zeitdauer von vier Wochen knallrot übermalte Plakate das Stadtbild Wiens. Dicke Farbspuren, wie mit einem übergroßen Pinsel aufgetragen, verdecken einen Teil der einst sichtbaren Werbeflächen.
Vier namhafte Unternehmen* konnten davon überzeugt werden, dass mithilfe ihrer Werbesujets eine weitestgehende Auslöschung der medialen Inhalte auf Plakaten vorgenommen wird; insgesamt sind 500 Werbemotive im 24-Bogen-Format von diesem drastischen Eingriff betroffen. An den Rändern der Sujets, dort wo durch die Lücken des Farbauftrages noch Teile der ursprünglichen Botschaft erhalten blieben, üben diese Plakate noch ihre ursprünglichen Funktionen aus; auf der übrigen Werbefläche - dort wo sich die rote Farbe festgesetzt hat, - ist das Plakat "erblindet".
Die involvierten Sujets, die durch diesen ikonoklastischen Eingriff zum Träger neuer Botschaften geworden sind, richten - wie alle Plakate - einen Appell an uns: In der Regel ist damit eine Aufforderung zum Konsum verknüpft. Nur ist bei den manipulierten und ins übertrieben Auffällige mutierten Plakaten diese Einladung zum Kaufen nicht mehr möglich. Stattdessen wird der Akt der Übermalung zum Nukleus der neuen Botschaft. Der französische Philosoph Louis Althusser hat den Subjektivierungsprozess des Individuums als Situation der Anrufung beschrieben. Üben auch diese Plakate eine appellierende Funktion aus, die den Einzelnen auffordert, sich als Subjekt im Medienraum zu positionieren?
Jede Störung des Mediums zeigt eine Verlagerung von Kommunikations-Potentialen an: Für die Passanten besteht der Subjektivierungsprozess wohl darin, die allgemeine Medienrealität als persönliche anzunehmen. Folgen Sie der Projektion von "Paint the Town Red", werden sie aufgerufen, selbst den Pinsel zur Hand zu nehmen. Auf der anderen Seite sympathisiert eine passive oder gar ablehnende Haltung ohnehin mit den Grundprinzipien dieses Mediums, das den Werbenden eine ungestörte Präsenz über die Dauer der Buchungszeit garantiert.
Nach zwei Wochen sorgt eine zweite Plakatierungswelle für neuerliche Aufmerksamkeit: Eine Figur in Latzhosen erscheint auf den roten Flächen - mit einem Schwamm einen kleinen Teil der übermalten Bildfläche freilegend. Der lebensgroße "Plakatputzer", der mit der Wiederherstellung der gewohnten Ordnung beschäftigt ist, bringt einen heiteren und ironischen Kommentar ins Projekt ein. Er verleiht dem Disput, der zwischen den Hütern des Plakates und den "inoffiziellen" Kräften, die sich die Flächen für ihre Botschaften jeden Tag aufs Neue erobern müssen - menschliche Gestalt.
*Bank Austria, Wiener Städtische, Konica Minolta, Taxi 31300
Historie der Plakatprojekte und Kunst im öffentlichen Raum (siehe www.kunstundmedien.org)
Seit 1995 realisiert Otto Mittmannsgruber(1) Kunstprojekte in großen Stückzahlen im Medium des Großplakates, wobei seither mehr als zwanzig Kampagnen im In- und Ausland umgesetzt wurden. Dazu gehören kontrovers diskutierte Projekte wie "13 Tote Österreicher"(2), das anläßlich der Tausendjahrfeier Österreichs die großen Kulturheroen unseres Landes als von der Polizei verfaßte Fahndungsbilder ans Plakat schlagen ließ, oder kuratierte Großplakatprojekte wie "Fremd"(3), wo sechs internationale KünstlerInnen auf 800 x 24 Bogen Formaten ihre Beiträge zu Xenophobie und Ausgrenzung formulierten.
Die Auseinandersetzung mit dem Werbemedium und seiner Bedeutung für den öffentlichen Raum wurde im ersten Projekt von 1995 begründet: in der Aufsehen erregenden Aktion "Monolog des Vertrauens"(4) traten zwanzig international bekannte Marken und Unternehmen als einheitlich reduzierte Schriftembleme auf den Plakaten in Erscheinung, und vermittelten den überraschten Passanten ein Bild der Uniformierung wo normalerweise Diversität und die strikte Einhaltung der Corporate Identity an der Tagesordnung stehen.
Das Moment der Uniformierung war und ist bei allen Kampagnen, die sich mit Werbung im öffentlichen Raum auseinandersetzen, Angelpunkt für die Vermittlung der Projektidee: erst wenn mehrere Medienteilnehmer einer - normalerweise für die Werbung irrelevanten Systematik - unterworfen werden, ist für die Passanten die Distanz zur Werbung hergestellt. Die Differenz zum Status Quo wird in vielen Plakat-Kunst-Kampagnen auch durch die Referenzierung auf unerlaubte Interventionen zum Ausdruck gebracht: die Aktion "Testbilder" (5), vermittelte den Eindruck, als seien die Werbebilder mit einer riesigen Malerwalze übermalt worden, und bei der Aktion "ICH" (6) schien der Schriftzug ICH aus 700 Werbesujets herausgerissen worden zu sein. In diesen Fällen wurde eine Störung der autorisierten und organisierten Plakathoheit vermittelt, und die einseitige - weil auf kommerzielle Werbung reduzierte Medienstruktur - hinterfragt.
In Publikationen wie "Kampagnen ohne Auftrag"(7), "Cultural Hacking"(8) und "Souveräne Markenführung" (9) wurden die Strategien dieser Plakat-Kunst-Aktionen von den unterschiedlichsten Standpunkten aus erörtert. In dem seit Jahren vergriffenen Buch "Plakat.Kunst" (9) konnten die Autoren die Verbindung früher, autonomer KünstlerInnenprojekte zum Aussenmedium Plakat eindrucksvoll belegen. Das Besondere an den Kampagnen von Otto Mittmannsgruber ist, auch im historischen Vergleich ihre hohe Stückzahl, und die damit erzielte Präsenz im gesamten Stadtraum. Bei der hohen Dichte von Plakaten in Wien ist diese Strategie wohl die einzige Möglichkeit, um der Werbung mit "offenem Visier"(11) zu begegnen. Medienkritische Ansätze, wie sie etwa in den 60er und 70er Jahren entwickelt wurden, und wo mit Hilfe von Strategien wie Detournement, Subversion und Appropriation heterogene Inhalte in Massenmedien eingeschleust wurden, sind aktueller denn je. Weil sie von vornherein auf die ausgewiesene und markierte Sonderstellung der Kunst verzichteten, hielten sie das Spektrum der Wahrnehmung offen. So blieben auch bei allen bisherigen Kampagnen von Otto Mittmannsgruber - insgesamt wurden etwa 15.000 Großplakate in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz seit 1995 affichiert - der Name des Künstlers oder irgendeine andere kunstspezifische Markierung ausgespart. Eine allzu enigmatische, verklärende, und auf Insider-Wissen hin konzipierte Funktionsweise wäre Verschwendung nicht nur an Ressourcen, sondern auch Missachtung der kommunikativen Grundgesetze im Außenraum.
Schon lange bevor der öffentliche Raum als erweiterte Präsentationsfläche für den Kunstbetrieb entdeckt wurde, bot das dominante Außenmedium verschiedenen KünstlerInnen die Möglichkeit zur Intervention und zur punktuellen Subversion. Als Bildschirm für eine breitangelegte, medienkritische Kommunikationsstrategie, die mit Präsenz und hoher Auflage verknüpft ist, fungiert das Medium aber erst seit der ersten Kampagne von 1995, die von Otto Mittmannsgruber initiiert wurde.
1) Zwischen 1995 und 2005 gemeinsam mit Martin Strauss
2) "13 Tote Österreicher", Wien, 1000 Plakate, Zürich, 1200 Plakate, Berlin, 50 Plakate, 1996
3) "Fremd", Niederösterreich, 800 Plakate, 1997
4) "Monolog des Vertrauens", Wien, 1000 Plakate, 1995, München, Frankfurt, Essen, Berlin, Hamburg, 1200 Plakate, 1999
5) "Testbilder", Wien, 1000 Plakate, 1996
6) "ICH", Wien, 700 Plakate, 2002
7) Peter Noever (Hg.), "Kampagnen ohne Auftrag, Kunstprojekte in Massenmedien = Public spaces go public : art projects in mass media 1995-2004" , Revolver Verlag, Frankfurt 2004 8) Thomas Düllo, Franz Liebl (Hg.), "Cultural Hacking, Kunst des strategischen Handelns", Springer Wien 2005
8) Otto Mittmannsgruber, Martin Strauss (Hg.), Plakat.Kunst, Über die Verwendung eines Massenmediums durch die Kunst, Springer, Wien, New York 2000
9) Klaas Kramer (Hg.), "Souveräne Markenführung: Managementkonzept zur Führung von Marken im Zeitalter von Social Media", Berlin, 2010
10) Wolfgang Ullrich, in "Milieuprobleme. Kunst im Terrain der Werbung", "Plakat.Kunst", Wien, Springer, New York, 2000, S.54